Schuldig bin ich sowieso

Angenommen mal: ich stehe

an der Kreuzung und ich drehe

mir bis Grün kommt einen Popel oder zwei

bin ich ganz gelassen, bis ich plötzlich sehe:

neben mir - Polizei.

 

Später überlege ich mir zwar, dass 

gegen zwei, drei Popel drehen bei Rot

gar kein öffentlicher Polizeierlass

oder nennenswerte Kerkerstrafe droht.

Aber in dem Augenblicke, wo

die mich ansehen, denk ich nur noch: Oh!

Weiß nicht ein noch aus und nicht, wohin

mit dem Finger in der Nase drin.

 

Hilfe! Denkbar wäre doch,

rechter Finger linkes Nasenloch

ist Geheimgruß von Terroristen

was die Polizisten aber wüssten

und so leid es ihnen tut, losballern müssten.

 

Oder: kleiner Finger linker Hand

rechts im Loch heißt: Scheiß aufs Vaterland.

Ach, zwei Löcher und zehn Finger:

Sittlichkeit, Verrat, die schlimmsten Dinger.

 

Polizei. Was man auch macht -

mit und ohne Nasebohren -

jedenfalls: du bist verloren.

Grad der Unverdächtige erweckt Verdacht.

 

Endlich Grün. Die Polizei gibt Gas.

Ach von hinten lieb ich Polizisten.

 

Doch noch straßenlang macht mich die Frage blass:

Dass sie mich beim Abfahrn freundlich grüßten,

was bedeutet das?


Diese Welt, der Mensch und ich

Schlimm ist so ein Selbstbetrug

oder gar: am schlimmsten.

Wenn ich denk, jetzt red ich klug,

red ich meinst am dümmsten.

 

Tanz ich fröhlich, frei und flott,

schwungvoll wie ein rechter

eleganter Walzergott:

Kichern und Gelächter.

 

Schreib ich für ´nen Kirchenchor

himmlische Sonette

heißt es, das sei der Humor,

den halt ich nur hätte.

 

Ja, das quält und ängstigt mich.

Schmerzerfüllt begreif ich:

Diese Welt, der Mensch und ich

missverstehn uns häufig.


Der Mensch hat die Sprache

Der Mensch ist höher als das Tier.

Seine Sprache ich der Beweis dafür.

 

Hab keine Angst. 

Ich helfe dir.

Sei wieder gut.

 

Wenn du nicht gleich...

Krepier, krepier!

Ich schlage zu!

 

Der Mensch als höchste Kreatur

besitzt die Sprache, Höret nur:

 

Ich liebe dich. 

Der Krieg ist aus.

Die Tulpen blühn.

 

Du bist mein Feind.

Verbrennt das Haus.

Wir töten ihn.

 

Der Mensch kann Worte sagen - und

alle aus demselben Mund:

 

Dein Haar im Wind.

Der schöne Tag.

Das blaue Kleid.

 

Hör auf zu schreien.

Tu, was ich sag.

Die Beine breit!

 

Der Mensch gehört nicht zu den wilden

Tieren - er kann Worte bilden.

 

Ich schweige nicht.

Ich sag, was ist.

Euch fürcht ich nicht.

 

Jawohl, jawohl!

Ich bin dein Knecht.

Halleluja.

 

Seinegleich ist auf Erden nicht.

Der Mensch allein hat Geist. Er spricht.

 

Das Mensch ist still.

Der Roggen steht.

Die Wolken ziehn.

 

Der Kolben stampft.

Kapazität.

Maschinengrün.

 

Am Anfang war das Wort - das heißt:

der Mensch kann denken - er hat Geist.

 

Ein Lied erklingt.

Noch einen Kuss.

Trink aus den Wein.

 

Im Gleichschritt marsch.

Der Gnadenschuss.

Du bist ein Schwein.

 

Der Mensch kann sprechen. Und das ist

das Menschliche, welches am Mensch ist.


Das unverwüstliche Verbot

Wenn das Verbieten verboten wäre,

wäre nicht, wie ihr wohl glaubt,

alles erlaubt.

Denn dem Verbot widerführe die Ehre,

dass das Verbieten verboten wäre.

Es freut sich mit Recht das Verbot:

Ihr kriegt mich nicht tot.


Konferenznotizen

Die progressive Rationalisierung

ist, wie gesagt, ganz deutlich progressiv.

Jedoch geschieht die Distributionierung

in jedem zweiten Fall distributiv.

 

Der Mann da vorn ist meine Firmenspitze,

frisch teneriffasonnenbraungebrannt.

Dass ich dem Boss hier gegenübersitze,

mein liebes Kind, bedeutet allerhand.

 

Du denkst vielleicht, ich könnte an dich denken

und wie wir gestern zärtlich uns und eng...

doch muss ich die Gedanken stark beschränken,

der Kerl da vorn sieht alles, was ich denk.

 

Ja, wer nicht schwimmt, Geliebte, der wird untergehen.

Zuletzt zu lachen, ist oft viel zu spät.

Wie schön ist es, kann einer Spaß verstehen,

doch wehe dem, der keinen Ernst versteht.


Keramik

Welch Erlebnis. Einen Topf zu bauen.

Meine Frau macht einen Topf aus Ton.

Etwas wird. Aufregend, zuzuschauen.

Was nie war: auf einmal ist es schon.

Wird schnell hier und da noch korrigiert.

Steht, ist rund, hat Henkel und gefällt.

Seine Töpferin, noch selber staunend, spürt:

Sie war nicht umsonst auf dieser Welt!


Montagsgedicht

Sonne, du verschwendest nur

all dein goldnes Licht.

Alle Wesen der Natur:

ach, ich mag euch nicht!

 

Irgendwo: ein Hase springt

lustig übers Feld...

Aber ich? Nach Akten stinkt

weit und breit die Welt.

 

Blauer Himmel, warum blau?

Bäume, warum grün?

Frauenberger, diese Sau -

ich ermorde ihn!

 

Ich ermorde, sag ich dir,

circa neun bis zehn!

Sonne, Himmel, Waldgetier,

mag euch nicht mehr sehn.

 

Scheint nur, grünt nur, noch und noch,

hoppelt nur und blüht!

Ohne mich habt ihr ja doch

keinen, der euch sieht.


Lob der Arbeit

Fleißig, friedlich,

unermüdlich,

emsig, emsig, schafft die Welt.

Das bewegt sich,

rührt sich, regt sich,

wie´s dem lieben Gott gefällt.

 

Flinke Bienen,

Mischmaschinen

brummen brav ihr Arbeitslied;

alles dreht sich,

blind versteht sich

Zahnradzahn mit Kettenglied.

 

Kessel dampfen,

Kolben stampfen,

Umlaufkühler kühlt und klärt.

Der Ventile

Flötenspiele - 

muntres Produktionskonzert.

 

Wie? Ein Händchen

Kieselsändchen

ins Ventil und Klappe zu?

Ei, bezähm dich,

Teufel, schäm dich,

böser destruktiver du!


Fußmattentherapie

In der listigen Absicht, dich aufzuhetzen

gegen dich selbst, empfehle ich dir:

Musst dich mal auf die Fußmatte setzen

vor deiner eigenen Wohnungstür.

 

Nachts nach Haus kommen, aber nicht reingehn.

Zuerst erlischt dann das Treppenhauslicht.

Im Dunkeln sitzend, wirst du plötzlich einsehen -

oder vielleicht auch nicht.

 

Ich habe auf die Art mal eingesehen,

dass ich ein dummes Schwein bin.

Ich meine: das könntest du doch auch einsehen,

so ganz prinzipiell und gemeinhin.

 

Man fühlt sich so aufregend lächerlich,

so entrechtet auf seiner Fußmatte.

Und je länger man sitzen bleibt, fragt man sich,

ob man überhaupt eine Wohnung hatte?

 

Man zweifelt entschieden an seinem Recht,

im Kegelclub-Vorstand Beisitzer zu sein,

man fühlt sich als Fußmattendreck, ganz schlecht!

Ohne Anspruch auf Urlaub und Führerschein.

 

Das Treppenhaus knackt. Hinter jeder Tür

sind Geräusche. Das lebt halt so weiter.

Und ahnt nicht und merkt nichts. Und du, du sitzt hier:

auf der Fußmatte! Du! Als Abteilungsleiter!!



Eigentlich

Eigentlich – sprach der Ehemann –

weiß ich, daß ich mich

nicht in jedes Bett mehr legen kann.

(Eigentlich)

 

Eigentlich – sprach der General –

hasse ich den Krieg.

Blut ist schlecht ersetzbares Material.

(Eigentlich)

 

Eigentlich – sprach der Kommunist –

da befürchte ich,

daß der Mensch so ideal nicht ist.

(Eigentlich)

 

Eigentlich – sprach der Aktionär -

gut verstehe ich 

auch die Hafenarbeiter.

(Eigentlich)

 

Eigentlich – spricht selbst der Despot -  

Macht macht unglücklich.

Nirgends ist man mächtig vor dem Tod.

(Eigentlich)

 

Eigentlich sind wir alle nur

gut und großmütig.

Und vor allem sind wir von Natur:

 

Eigentlich…

 


Unrecht und Ehrlich

Unrecht Gut gedeihet nicht.

Ehrlich währt am längsten.

Ehrlich: gutes Unrecht gedeiht am längsten.

Unrecht währet so lange

ehrlich nicht gedeihet.

Das beste Unrecht gedeiht desto länger,

als Ehrlich sich wehrt.

Unehrlich gewährt recht gutes Gedeihen.

Unrecht geht gut und dauert nicht so lange.

Ehrlich währt es jedenfalls am längsten


Herr Alfred Blohm

Und eines Tags Herr Alfred Blohm,

da war er vierundfünfzig schon

( zwei Kriege, Garten, Frau und Sohn ),

als er im Zug auf Reisen war,

im Schnellzug Bonn - Köln- Altona,

es überkam ihn einfach da,

dass er die Nothandbremse sah

und dass ihr Anblick ihn bewog,

dass er sie zog.

 

Gekreisch von Frauen. Sturzgepäck!

Ein Schnellzug hält auf freier Streck´.

Tumult! Was hier .. Von wem... Wer sich

erlaubt...? Herr Blohm, sehr ruhig: Ich.

Und steht, ein Mann, nicht wankend, da

im Schnellzug Bonn - Köln - Altona.

Wieso? Was ihn...? Warum er zog?!

" Weil´s mich bewog."

 

Und manchmal nachts Herr Alfred Blohm,

er ist jetzt vierundsechzig schon

( zwei Kriege, Witwer, bald Pension ),

Herr Alfred Blohm lacht still für sich

und steht im Bett auf und sagt:

Ich.


Frühlingsgedicht

Du lieber Mai, ich dichte dir

hier heimlich auf Geschäftspapier

ein paar verliebte Zeilen.

Durchs Fenster sehe ich - obwohl

ich nicht durchs Fenster sehen soll -

die Wolken ziehen beziehungsweise eilen.

Du wütest draußen ganz schön rum,

du bläst auch Bäume und Autos um,

ich habe selbst gelesen,

weit über dem jährlichen Durchschnitt sei

in diesem ( in dir, mein lieber ) Mai

die Sachschadenziffer gewesen.

 

Blas zu, mein Freund, reiss Häuser ein,

nimm Rentner und alte Mütterlein

und puste sie über die Dächer.

Entzücken, ach, füllt meine Brust!

Mach, lieber Mai, nach Herzenslust

viel Fetzen und Scherben und Löcher.


Träumerei

Ja wenn ich weiße Zähne hätt

und röch nicht aus dem Mund

und läge mit Babett im Bett,

da fühlt ich mich gesund.

 

Ja, wenn ich stark und mutig wär

als wie ein Polizist,

da schreckte mich die Welt nicht mehr

noch Neid und Hinterlist.

 

Ja, wenn ich meine Schnauze hielt,

wo es mir schaden könnt,

wie bald wär da der Sieg erzielt

und Zinsen und Prozent.

 

Ja, wenn ich stolz und schneidig wär

als wie ein Herr Major:

mein Hirn wär zwar so ziemlich leer,

doch käm´s mir nicht so vor!

 

Hätte ich ´nen Scheitel, Schick und Schneid

und einen seidnen Schal,

wär meines Herzens Schmutzigkeit

mir ganz und gar egal.

 

Wie wär ich da so ungeniert

und schweinemäßig froh

und frisch rasiert und parfümiert

und duftete nur so.


An der Eisbahn

" Halt bitte fest" . Vielleicht war sie vier.

Oder höchstens fünf. Und reichte mir

ihre roten Handschuhe, um sich zu bemühn,

die Bänder der Schlittschuhe fester zu ziehn.

 

Und ich war hier doch nur hergeraten

weil mein Kopf wie ein Stein war.

Vom Saufen die Nacht durch. Und vom Verraten

besserer Einsichten. Was bitter und klein war.

 

" Gib wieder her." Nicht mal Dankeschön.

Ist schon verschwunden in bunten Gestalten.

Wenigstens ist man noch ausersehn,

einem richtigen Menschen die Handschuh zu halten.

 

 


Ein bemerkenswertes Gesicht

Mit einem Ziegelstein

und mit voller Kraft mitten hinein - 

oh, wie ich das genösse!

Mir wird bald kalt, bald heiß.

Hast du in deinem Bekanntenkreis

auch so eine blöde Fresse?

 

Warum hat der Himmel solche Affen,

solche Gesichter, die keine sind -

und dann wieder mich gutes Kind

mit meiner empfindsamen Seele geschaffen.


Der Aschenbecher

Ein Aschenbecher auf dem Tisch

erzählte stolz und prahlerisch,

er fühle sich als Bonboniere,

er habe überhaupt entdeckt,

dass er was ganz besondres wäre,

er sei geschaffen für Konfekt.

Und er entsänn´sich immer schwächer,

was das nur sei, ein Aschenbecher.

 

Der Mensch jedoch, dem er gehörte

und den dies alles gar nicht störte,

ließ ihn ganz ungeachtet dessen

nur Zigaretten-Asche fressen.


Es gibt da eine Waffe

Es gibt da eine Waffe,

die jeder anwenden kann.

Kein noch so großer Affe

kommt gegen die Waffe an.

 

Du musst es einfach nur wagen,

der dümmsten Frau im Haus

frech ins Gesicht zu sagen:

" Sie sehen bezaubernd aus!"

 

Dem dümmsten Sack auf Erden

sagst du ganz nett und lieb:

" Ich muss es mal loswerden:

Sie sind ein toller Typ."

 

Glaub mir, sie werden nach Tagen

noch fix und fertig sein.

( Vorausgesetzt, sie schlagen

dir nicht gleich die Fresse ein.)


Das Bildnis vom Herrn Zech

Herr Zech hängt im Foyer.

Er lächelt so mild und so weh.

Er sitzt auf einem Hohen Stuhl

und hat ein festliches Gefuhl,

wie es niemand sonst hier empfindet:

denn Herr Zech hat die Firma gegründet.

 

Sein Blick so mild und blau

ruht auf der Reinmachefrau,

die schrubbend übern Marmor fährt,

den großen Hintern ihm zugekehrt.

Doch wie sie auch schrubbt und sich schindet:

Herr Zech hat die Firma gegründet.

 

Herr Zech in Öl gemalt

hat sich noch selbst bezahlt.

Und damals prangte linkerseits

ihm am Revers ein Hakenkreuz,

wo sich heut nur ein Fleck noch befindet.

Herr Zech hat die Firma gegründet.

 

Nur manchmal nachts scheint frech

der Mond ins Foyer auf Herrn Zech

und spricht zu ihm höhnisch und keck:

" Was haben Sie denn da für ´nen Fleck?"

Was Herr Zech ganz unpassend findet.

Er hat doch  die Firma gegründet.

 


Frage an den Kesselkogel      ( 3001 m)

Sehr geehrter Kesselkogel,

habe ich nicht einen Vogel,

dass ich hier am Schreibtisch sitze,

Akten türme, die nichts nütze,

Stunden zähl und Bleistift spitze?

 

Hoher Herr vom Rosengarten,

ach, wie lang muss ich noch warten

ehe ich dich wiedersehe

und, indem ich auf dir stehe,

glücklich in die Gegend spähe?

 

Steiler Fels, du kennst die Welt nicht!

Warum bin ich denn ein Held nicht,

der die Akten feuertötet,,

seinen Feinden eins verlötet,

ins Gebirge flieht und betet?

 

Habe ich nicht einen Vogel,

heißgeliebter Kesselkogel?


Oktoberlied

Schwarzbraun ist die Haselnuss.

Aber ich bin blau.

Krieg ich nicht noch einen Kuss,

schöne blonde Frau?

 

Leihst du nicht noch - hoppla - mir,

leihst du mir dein Ohr?

Sag mal, wo ist denn mein Bier?

Rind?

Ach so, es rinnt an dir.

Ja, das kommt mal vor.

 

Ich bin klein,

mein Herz ist rein.

Ich will noch einen Kümmel.

Schenkst du mir keinen Kümmel ein,

dann fällt für mich der Hümmel ein

mit Pauken und Gebimmel.

 

Geliebte, ich versteh dich nicht,

denn du, hick, hick - , denn du liebst mich.

Ich aber kann dir nicht verzeihn:

Du liebst ein stinkbesoffnes Schwein

vom langen Stehen sauer.

 

Schwarzbraun ist die Himmels Bläue

und den Muskateller Wein,

eh man gießt ihn vor die Säue,

gieß ich in mich selbst ihn rein.

 

Und steigt das Laub an Nebeltagen...

Wir wollen das mal so rum sagen:

Es steht ja jedem offen,

die grauen Tage zu ertragen -

besoffen, ja besoffen.


Die Virtuosin vom Montparnasse

Manchmal denk ich mit Entsetzen,

komm ich in den Himmel rein,

flöten da, mich zu ergötzen,

Engelein auf den Schalmein.

 

Lieber Gott, tu dies vermeiden,

da ich solches nicht aushalte.

Viel, viel lieber möchte ich leiden,

weißt doch: aus Cluny die Alte.

 

Die am Saint Michel vor Leuten

Schubertfranzl wüst verhunzt,

säbelnd sägend auf den Saiten,

wutzerfressen, blass vor Kunst.

 

Lässt sie ihre Fidel schweigen,

starrt sie bös ins Publikum.

Und ihr Alter geht fürs Geigen

grinsend mit der Mütze rum.

 

Leider war ich nicht bei Kasse

und auch geizig obendrein.

Aber lieber Gott, komm, lasse

dieses Weib in´Himmel rein.

 

Schubertfranzl, ich und du,

sitzen da. Sie geigt uns was.

Kaffeetrinkend hörn wir zu.

Selig - wie am Montparnasse.


Schildertraum

Fahrrädern ohne Befugnis

ist das Ankleben von Kindern im Treppenhäusern

im Winterhalbjahr untersagt.

 

Parkende Hunde, die während

des Aufenthalts auf den Toiletten

den Bürgersteig rauchend betreten,

werden verklagt.

 

Haltet die grünen Papierkörbe sauber

von großen Banknoten.

Polizisten füttern verboten!

 

Minderjährige Bahnsteige

werden zum Zurücktreten auf das Begleitpersonal

bei Zuwiderhandlung gebeten.

 

Hausierer und andere

schwerkriegsbeschädigte Fluggegenstände

haben den Rasen in sämtlichen Stockwerken

nicht zu betreten.

 

Ehret die Hauseigentümer

mit wändeverzierenden Zoten.

 

Polizisten füttern verboten!


Das Gras wachsen hören

Ich singe heute über nichts.

Nichts singe ich über das Singen.

Das Zerbrechliche in den gröberen Dingen:

vom Hindenken zerbricht´s.

 

Seit ich bei jenem Herrn saß,

der durch sein Fernglas sein Fernglas

suchte, und zwar vergeblich,

misstrau ich Ferngläsern erheblich.

 

Man müsste sagen, was man sagt,

wenn man´s verschweigt.

Der Aufschub, denk ich, wird zuletzt vertagt.

Dann zeigt sich erst, ob, dass sich nichts zeigt, zeigt.

 

Ich sang heut - über was?

Es macht beim Wachsen ein Geräusch, das Gras.

Ich glaube manchmal schon, dass ich es deutlich höre. 

Wenn nur das Hören selbst nicht so geräuschvoll wäre.


Dienst am Fuß

Parkplätze sind ja heute so knapp.

Auch Immelmann kriegt meistens

keinen mehr ab.

( Immelmann : Mit Takt und Schwung

die richtig schöne Beerdigung.

Oder: Im Sarg von Immelmann

kommst du bequem im Himmel an.)

Parkt also seinen Beerdigungswagen

außer an Sonn-und Feiertagen

Dr. Sauter zum Verdruss

direkt vor dem Laden " Dienst am Fuß ".

 

Und Dr. Sauter argumentiert,

dass er die fußkranken Kunden verliert,

weil dieser Leichen-, dieser Sargtransport

vorm Laden, da müssten die Leute sofort

automatisch draus schließen:

das also wäre der Dienst an Füßen.

 

Immelmann aber sagt: " Töricht von Ihnen,

Herr Dr., dem menschlichen Fuße zu dienen.

Ich diene dem Menschen! Und keinem von diesen

schmerzt es, soweit mir bekannt, an den Füßen."

 


Mathematik der Feindschaft

Ich hatte einmal einen Feind,

der hasste mich Tag und Nacht,

der hätte mich - was mir auch logisch erscheint -

von Herzen gern umgebracht.

 

Dann aber bekam ich noch einen Feind.

Und ich dachte : Zwei Feinde, na ja.

Doch was ich dabei übersah:

dass mein erster Feind mit dem zweiten Feind

schon zehn Jahre verfeindet war.

 

Das merkte ich erst, als mein erster Feind

mich anrief: " Grüß Gott und Blabla,

der Dings, wie mir scheint, ist dein Feind, mein Freund,

ein gemeinsamer Feind, der vereint, mein Freund,

küss die Hand, tatatü tatata."

 

Sogleich erschien mir mein zweiter Feind

nicht mehr ganz so schlimm, wie er war.

Denn ich dachte: Ein Feind, der es feindlich meint,

der kann doch nicht sein meines Feindes Feind!

Ja, ich sah überhaupt nicht mehr klar.

 

Denn ich hatte zwei feindliche Freunde zum Feind.

Ein Gedanke, so traurig, so schön.

Und ich hab mich betrunken, gelacht und geweint:

Feiner Freund, lieber Feind! O du feindlicher Freund!

 

Ach, niemals wird, wer mit einem Feind,

was Feindschaft ist zu begreifen meint,

das Geheimnis der Freundschaft verstehn!


Freundschaft

Es ist schon wieder was Neues passiert.

Da hat sich die pfälzische Eisen und Stahl

mit dem südgelsenkirchener Farbkapital

auf Tauschaktien fusioniert.

 

" Obwohl die Geschäfte hervorragend liefen ",

heißt es in der offiziellen Begründung,

" konnte die kapitalmäßige Bindung

die Freundschaft der Firmen vertiefen."

 

Das finde ich so schön! Dass sich in diesen schiefen

Zeitläufen immer wieder mal

durch Liebe oder Kapital

Freundschaften vertiefen.


Armes Schild

Ein Schild hing an der Wand,

auf dem geschrieben stand:

 

Schilder anbringen verboten.


Erwachsen werde ich nie!

Als Junge hab ich mir geschworen:

Ich werde nie erwachsen, nie!

Man darf nicht mehr in der Nase bohren,

man muss sich mit Hausmeistern oder Doktoren

unterhalten, als wär man genauso wie sie.

 

Erwachsene werden zu Aufsichtsräten,

zu Vereinsvorsitzenden! Himmel, nein!

Sie müssen Toiletten-Artikel vertreten

und fordern, den Rasen nicht mehr zu betreten.

Ich möchte lieber tot als erwachsen sein.

 

Erwachsene werden zu Kontrolleuren:

" Kontrolle! Zeigen Sie den Fahrschein her!"

Als wenn sie nie selbst schwarz gefahren wären.

Da spiel ich doch lieber mit Teddybären.

Ich werd nicht erwachsen. Bitte nein, bitte sehr!

 

Erwachsene gründen andauernd Parteien

und stecken sich bunte Abzeichen an.

Sie marschieren umher in geschlossenen Reihen.

Man hört sie : " Marsch, Marsch!" und dergleichen schreien,

so dass man sich einfach nur schämen kann.

 

Als Junge hab ich´s mir geschworen:

Ich will nicht erwachsen werden wie die!

Vor siebzig Jahren ward ich geboren,

habe ungeheuer viel Zeit verloren.

Doch jetzt weiß ich´s: Erwachsen werde ich nie!


Die wahren Armen

Wer viel besitzt, dem darf man nichts wegnehmen,

er steht dafür, dass Leistung sich auch lohnt.

Wenn Geld gebraucht wird, holt man es von denen,

die kaum was haben, sie sind das gewohnt.

 

Wer keine Arbeit hat, der muss auch nicht viel essen.

Er ruht sich sowieso nur meistens aus.

Nur wer im Wohlstand lebt, hab höhere Interessen:

enorme Kosten macht ja so ein großes Haus.

 

Du glaubst ja gar nicht: eine Yacht im Hafen

wie viele Liegeplatzgebühr man zahlt dafür.

Wer keine Yacht hat, kann auch ruhig schlafen,

er zahlt ja keine Liegeplatzgebühr!

 

Das Armsein hat so viele gute Seiten:

weil einem praktisch nichts passieren kann.

Dem Reichen aber drohn Verlust, Konkurs und Pleiten:

in Wahrheit ist der Reiche doch der arme Mann.

 

 


Eunomia

Die merkwürdige Alte im Magazin,

die die Pinsel und Putzlappen verwaltet,

ist eine von jenen stämmigen Fraun,

an denen üppig und kühn

sich meine Phantasie entfaltet.

Mit ihren furchterregenden Augenbraun,

ihrem schrecklich dröhnenden Kellerbass

und den Kronleuchtern an den gewaltigen Ohren,

denk ich mir dieses fleischerne Fass

als griechische Göttin, Mitglied der Horen,

wie sie auf einem Staubsauger reitet

und donnernd über die Welten braust,

wobei sie mit ihrer behaarten Faust

die irdischen Geschicke leitet,

hier mal einschreitet und da mal einschreitet

und im Ganzen gerecht, aber grausam haust.

 

Und wenn mir dies Walross entgegenstampft

auf dem Flur wie ein tosendes Wetter,

dann verneig ich mich tief und begrüße es sanft,

denn ich ehre und fürchte die Götter.

 

 


Taxifahrt

Kenn Sie was von Fußball? Nein? Ein Fehler.

Aber Taxifahren können Sie?

Früher gab es einen Stürmer namens Seeler.

Was der machte? Tore schießen. Aber wie!

 

Also der - vielmehr: mein Taxifahrer.

" Bitte zum Bethanien - Krankenhaus."

Seeler, sagt er, das war noch ein wahrer

Sportsmann. Und wie sieht das heute aus?

 

Lange Haare haben die und wollen Tore schießen.

Aber nein, ich meine ja nicht Sie.

Aber ohne Disziplin gewinnen wir diesen

Krieg.... ich mein: die Meisterschaft doch nie!

Und warum? Weil wir die Ostgebiete

einfach so: Hier, Iwan. Und der Iwan lacht.

Seit der Pille, sag ich Ihnen .... Anstand, Sitte...

Mädchen, die mit vierzehn schon...Na bitte!

Das hätt Uwe Seeler nie gemacht!

 

Wenn ein Volk moralisch auf dem Hund ist,

soll man ihm, was Arbeit ist, beweisen!!

Bitte schön: Wir sind beim Krankenhaus.

Sind Sie krank? Sie sehn so angegriffen aus?

 

" Meine Frau erwartet... Sie verstehen schon..."

 

"Glückwunsch! Wird bestimmt ein Sohn!"

 

"Meinen Sie? Wenn er gesund ist,

soll er nämlich

Uwe heißen!"


Interview

( Ein Herr Minister wird interviewt.

Diese Klarheit der Aussage find ich so gut )

 

" Wir haben eine Frage, Herr Minister.

Sind Krieg und Frieden - Geschwister? "

 

Eine sehr kluge Frage. Man sollte ja meinen,

die beiden lassen sich gar nicht vereinen

und unsere Fraktion hat von jeher betont,

dass sich einerseits weder ein Frieden lohnt

ohne andererseits auch den Krieg abzulehnen,

weil durch die Beziehungen, die Sie erwähnen,

die volle umfassende Komplexität

der Vielschichtigkeit dieses Themas entsteht.

 

" So. Danke. Aber - der Frieden, dies Luder:

ist er vielleicht nur des Krieges Bruder?"

 

Sie müssen das so sehn: Es wäre verfrüht,

nach allem, was Innen und Außen geschieht,

dem Kriegsgeschrei der Opposition

zu lauschen und über der Diskussion

nach friedlicher Koexistenz zu vergessen

zu fragen: Wer ist hier der Bruder und wessen?

 

"Der Krieg - wie also meinen Sie? - lässt er

bezeichnen sich als des Friedens Schwester?"

 

Präzise geantwortet: Ja. Und auch Nein.

Man kann in der Tat für den Krieg nicht sein,

ohne den Frieden in Äquivalenz

der historisch bedingten Situation

zu bekriegen - obwohl vor der Impotenz,

der politischen, unserer Opposition

auch die friedlichsten Krieger des Friedens ermüden,

wozu ich nur sagen kann: Ruhet in Frieden.

 

"Ja, aber die Frage... Die Zeit ist gleich um.

Bitte sagen Sie unserem Publikum - "

 

Also gut. Ich möchte nur so viel sagen:

Man könnte ja, rein hypothetisch!, fragen:

Sind Krieg und Frieden - Geschwister?

 

 


Werksbesichtigung

Der Schornstein raucht. Die Walze walzt.

Es kracht und knallt der Kneter.

Der Rührer rührt. Der Falzer falzt.

Es steigt das Tachometer.

 

Der Öler ölt. Der Schmierer schmiert.

Es sägt und singt die Säge.

Und alles, alles funktioniert

und nicht läuft schief und schräge.

 

Es klopft mein Kopf. Die Seite sticht.

Mein Herz schlägt schwach und kleinlich.

Ich niere, niere, funktio nicht.

Ich schnaufe lief. Wie peinlich.


Meine persönliche Wolke

Sie können sagen, daß alles Erfindung sei.

Aber ich schwöre:

Auf einem Berge sitzend sah ich einwandfrei:

ringsumher völlige Wolkenleere.

 

Bis plötzlich drüben, am Teufelshorn

wie ein Rauch aus keinem Mund

aus der Wolkenleere hinten und vorn

eine Wolke entstund.

 

Ich denke noch: wie und woher...?

Da sehe ich: eben entstanden,

entsteht sie zurück, ist schon nicht mehr

oder: ist, aber ist abhanden.

 

Seither ist sie mein. Damit ihr es wisst:

Oft umwölke ich meinen Sinn

mit der Wolke, die ist und abhanden ist

bis ich selber abhanden bin.


Wenn der Hilfspolizist loslegt...

Ich meine: so kann's doch nicht weitergehn.

Wo gibt es noch Anstand  und Zucht und Gewissen?

Heute kannst du Leute von dreizehn sehn,

die sich mitten in der Straßenbahn küssen.

Also wirklich: man denkt doch, man lebt aufm Mond.

( und die stehen auch nicht auf. Und die werden nicht rot.)

Das einzige, wofür sich das Leben noch lohnt,

ist das Parkverbot.

 

Du glaubst ja nicht, was man als Hilfspolizist

auf dem Sektor erlebt . Wo ich diensttuend bin,

sind zwölf Zonen, wo Parken verboten ist:

da parken die Leute sich hin.

Man kann das nicht glauben. Da steht nun ein Schild.

Gesetzlich. Von höherer Ordnung wegen.

Das missachten die einfach. Und stehen da. Wild!!

Oder fahrn sogar noch dagegen.

 

Kommunisten natürlich am meisten dabei.

Ja, das sieht man doch schon, wie die Kiste da steht.

Karl Marx hat gesagt: Parken ist frei.

Auf der Straße und mitten im Blumenbeet.

Aber die werden bestens betreut von mir.

Wenn so einer kommt und noch jammert und quarkt,

dem sag ich ganz ruhig: In meinem Revier,

Genosse, wird sauber geparkt.

 

Ein letztes Stück Ordnung muss schließlich noch bleiben.

Wo die Welt sich schon nackend im Chaos dreht.

Und je mehr wir auf Draht sind und Leute aufschreiben,

ist vielleicht noch nicht alles zu spät.

 

Mal sehn, eines Tages, wenn ich das noch schaffe,

wird ein ewiges Halteverbot beschlossen.

Und dann gibt es auch wieder die Todesstrafe.

Wer anhält, wird erschossen!


Der Beifall von der falschen Seite

Immer wenn ich meine Frau verhau

und meine Frau ganz laut schreit,

freut sich unsere Nachbarsfrau.

Denn mit der hat meine Frau Streit.

 

Ich hör durch die Wand, wie sie " Bravo" brüllt.

"Der Mann ist vernünftig und schlau."

Was mich mit großer Empörung erfüllt.

Denn ich liebe doch meine Frau.

 

Aber soll ich am Ende, nur weil der Applaus

mich stört von der Nachbarin,

nie mehr Kritik üben dürfen zu Haus

und nicht mehr sein, der ich bin?

 

Ach, sollen sie klatschen. Ich und meine Frau

sind uns einig in unserem Glück.

Ich hau meiner Frau die Fresse blau.

Und sie schlägt aus Liebe zurück.


Gesundheit, Mensch, versteh doch!

Der gesunde Menschenverstand.

Der kranke Menschenverstand.

Der gesunde Mensch versteht.

Der kranke Mensch missversteht.

Der kranke Mensch mit krankem Menschen-

Unverstand missversteht den gesunden

Menschen mit gesundem Menschen-

verstand.

 

Dem erkrankten Menschenverstand

muss der gesunde Menschenverstand

sagen,

dass der menschliche Verstand krank,

gesunder Verstand unmenschlich,

unmenschlicher Menschenverstand

ungesund und

krank gesund ist,

so dass der gesunde Menschenverstand,

nach dem gesunden Menschenverstand

nie mehr gesundet,

weil er gesund ist.


Die Verhandlung

Es saßen sechs Herren in meinem Lokal

in aufgeregter Debatte.

Der fünfte rief: Alles total erste Wahl;

der erste sprang auf und schrie: Ruhe im Saal!

Rabatte. Rabatte.

 

Drauf flüstert der zweite: Der Jahresbedarf

in Siebzehnstrichvierzehn, man könnte ...

Niemals, rief der dritte, wir haben ganz scharf

kalkuliert. Wenn ich mal was sagen darf:

Prozente. Prozente.

 

Da schrieb auf ein Blättchen der vierte etwas.

Das wies er den andern. Er glühte.

Da wurden die Herren ganz still und ganz blass.

Und der fünfte sprach zitternd, todbleich und schweißnass:

Rendite. Rendite.

 

Der sechste jedoch, der bis dahin allglatt

geschwiegen, vergaß jetzt sein Grinsen

und sagte was Kaltes, das klang wie " Soldat"

und wie Rattatatatatatatatat!

Die Zinsen. Die Zinsen.

 

Da lachten sie alle. Da brüllten sie.

Und hielten sich kichernd die Hände.

Und riefen nach Bier. Dann enthüllten sie

ihre Bäuche und sangen: Divi-, Divi-,

Di - vi - den -de!

 

Wer waren die Herr´n, die so laut und verruckt

debattiert mit Gebrüll und Gekicher?

Ich weiß es nicht. Hab mich nach draußen verdruckt

und vor Angst meine letzten drei Mark verschluckt,

denn sicher ist sicher!


Die Ewigkeit des Verbots

Wenn das Verbieten verboten wäre,

wäre nicht - wie ihr wohl glaubt -

alles erlaubt.

Denn dem Verbot wiederführe die Ehre,

dass das Verbieten verboten wäre.

Und es freut sich mit Recht das Verbot:

             Mich kriegt ihr nicht tot.


Entflohen

Ihm war so kalt,

dass ihn Verzweiflung packte:

Der Sachverhalt

stieg aus der Akte.

 

Drauf, längst entbrannt,

dem Vorgang zu entweichen:

Der Tatbestand

entwich desgleichen.

 

Und schnell erfand

ein Herr mit Aktenzeichen

den Tatbestand

vom Sachverhaltentweichen,

 

er fügte kalt

hinzu, wie es ihm eigen:

den Sachverhalt

vom Tatbestandentsteigen.

 

Doch frei durchs Land

ein Paar, ein flüchtges, wallte.

Der Tatbestand bestand, bestand...

Der Sachverhalt verhallte.


Protestgedicht

Schluss

mit

der

Ho-

no-

rar-

be-

mes-

sung

nach

An-

zahl

der

Zei-

len

!


Dummsein ist am schönsten

Dummheit ist der wahre Seelenfrieden.

Furchtlos zieht die Dummheit ins Gefecht.

Klugheit kämpft und kämpft und muss ermüden.

Dummheit hat von vornherein entschieden. 

Und wer dumm ist, hat natürlich recht.

 

Und die Weisheit ringt mit den Problemen.

Und die Liebe sorgt und weint und wacht.

Die Vernunft will sich das Leben nehmen.

Nur die Dummheit braucht sich nicht zu schämen.

Denn für sie ist diese Welt gemacht.

 

Dummheit steht ganz oben auf der Leiter.

Und nach unten sieht sie sich nicht um.

Und was groß ist - Dummheit tritt es breiter.

Dummheit ist vergnügt, brutal und heiter.

Denn, sagt Dummheit, ich bin doch nicht dumm!


Oma Reimer unterm Weihnachtsbaum

Weihnachten steht bei Oma Reimer

stets ein gefüllter Wassereimer

neben dem Tannenbaum -

sowie eine Tüte mit Sand.

So wartet Oma mit Gottvertraun

auf den Weihnachtsbaumbrand.

 

Allerdings hat sie elektrische Kerzen.

Ja, mit dem Unglück ist nicht zu scherzen!

Wenn da ein Kurzschluss entsteht

( wie es schon oft in der Zeitung stand!)

Du glaubst ja gar nicht, wie schnell das geht,

so ein Weihnachtsbaumbrand!

 

Darum legt Oma auch ihre Papiere,

ihr Reservegebiss, das Sparbuch und ihre

Fotos von ihrem ersten Mann

neben das Gummibaum-Postament:

damit sie sie schneller erreichen kann,

wenn der Weihnachtsbaum brennt.

 

Und dann hat Oma schon überlegt,

ob sie zu Weihnachten Gummischuh trägt

und zieht sich besonders von unten warm an:

weil man ja nicht erst im letzten Moment

sich warm anziehen kann,

wenn der Weihnachtsbaum brennt!

 

Weihnachten findet sie - sagt sie - ganz ehrlich:

irgendwie schön  - aber auch gefährlich!


Grimmiger Angestellter, den Frühling besingend

Du lieber Mai, ich dichte dir

ganz heimlich auf Geschäftspapier

ein paar verliebte Zeilen.

Durchs Fenster sehe ich, obwohl

ich nicht durchs Fenster sehen soll

die Wolken ziehen beziehungsweise eilen.

 

Du wütest draußen ganz schön rum.

Du wirfst auch Bäume und Autos um.

Ich habe selbst gelesen:

Weit überm jährlichen Durchschnitt sei

in diesem, in dir, mein Lieber! Mai

die Sachschadenziffer gewesen.

 

Blas zu, mein Freund! Reiß Häuser ein,

nimm Rentner und alte Mütterlein

und puste sie über die Dächer.

Man sagt, du bist so lieblich, ach!-

Komm lieber Mai und mach und mach

viel Fetzen und Scherben und Löcher!


Weltschmerz

Eine gelbe Rose fand ich heute

auf dem Wege liegen zwischen Laub und Dreck.

Hartes Leben! Eilig haben es die Leute.

Trampeln über gelbe Rosen glatt hinweg.

 

An der Elbe später sah ich dann die Leiche

eines Schellfischs sehr verfault und grün.

Und auch hier natürlich ganz das gleiche:

kein Passant bemühte sich um ihn.

 

Hätte man die Rose doch, die gelbe,

jenem armen Schellfisch zugeführt:

Läge seine Leiche an der Elbe

nicht so schmucklos rum sondern garniert.

 

Seht die Menschheit in den letzten Zügen!

Seht dies Jammertal vol Publikum.

Ihre Toten lassen sie am Wege liegen.

Auf der Unschuld trampeln sie herum!


Hinweise fürs Leben

Johannes, unerfahrner Knabe du,

komm her und hör jetzt deinem Onkel zu,

der dir fürs Leben, weil er dich sehr liebt,

den einen oder andern Hinweis gibt:

 

Wenn du ins hohe Himmelblau aufschaust,

weil droben etwas brummt und dröhnt und braust,

zwei Düsen hat, ein Himmelsriesending:

Ja, siehst du wohl: das ist ein Schmetterling.

 

Wenn du ´ne heisre Stimme hörst, die spricht:

Es geht! Es muss gehn! Und soo geht es nicht!

Schwer ist die Pflicht und unerhört der Fall:

Ja, siehst du wohl: da singt die Nachtigall.

 

Wenn in der kalten Zelle du erwachst

und dich verwundert fragst, was du hier machst,

weil´s dir im Schädel scheußlich pfeift und kracht -

ja, siehst du wohl: das ist die Maiennacht.

 

Wenn dich ein Herr in Uniform anschreit:

Sie Risiko für unsre Sicherheit!

Sie woll´n nicht unterschreiben? Gute Nacht!

Ja, siehst du wohl: das ist die Liebesmacht.

 

Die schönen Verse, die der Dichter macht

sind voll von -ling und - macht und - gall - und nacht.

Und es ist gut, Johannes, dass du lernst beizeiten

die schönen Worte - und was sie bedeuten.


Ein Überfall

Der Bankräuber Theo S. Mayer

betrat die Finanzkasse Nord.

" Ein Überfall. Geld her. Sonst Feuer."

Der Kassierer, sehr höflich: " Sofort ."

Und entfaltete, flink wie er war,

das Überfallformular.

 

" Wenn Sie bitte hier oben ausfüllen:

Adresse, Schuhgröße, Geschlecht.

( Für den Fall, dass Sie selber stillen )

Überfallaufwand, umsatzgerecht,

und - wenn mir der Hinweis erlaubt ist,

Ertrag, soweit er geraubt ist,

ist für ermäßigte Mehrwertsteuer

nicht geltendzumachen. Hieraus..."

" Ich will nicht", sagte S. Mayer,

" Ich will nicht. Ich füll auch nichts aus.

Ich beantrag´nichts anderes als

Ihre Kasse!"

" Betreffendenfalls

darf ich Anlage W überreichen:

Falls Täter gewillt/ nicht gewillt ist

( bitte Nichtzutreffendes streichen )

aber Ausfüllen gegen seinen Willen

ist unter " Aus " auszufüllen,

dass Antrag nicht ausgefüllt ist.

 

" Ach so", sagte Mayer.; Verstehe. Ja, ha.

Wenn also hier die Prämien hinkämen...

Übrigens, dürft´ ich das Formular

vor dem Überfall erst mit nach Hause nehmen....?"

 


Das Bildnis vom Herrn Zech

 

Herr Zech hängt im Foyer.

Er lächelt so mild und so weh.

Er sitzt auf einem Hohen Stuhl

und hat ein festliches Gefuhl,

wie es niemand sonst hier empfindet:

denn Herr Zech hat die Firma gegründet.

 

Sein Blick so mild und blau

ruht auf der Reinmachefrau,

die schrubbend übern Marmor fährt,

den großen Hintern ihm zugekehrt.

Doch wie sie auch schrubbt und sich schindet:

Herr Zech hat die Firma gegründet.

 

Herr Zech in Öl gemalt

hat sich noch selbst bezahlt.

Und damals prangte linkerseits 

ihm am Revers ein Hakenkreuz,

wo sich heut nur ein Fleck noch befindet.

Denn Herr Zech hat die Firma gegründet.

 

Nur manchmal nachts scheint frech

der Mond ins Foyer auf Herrn Zech

und spricht zu ihm höhnisch und keck:

"Was haben Sie denn da für nen Fleck?"

Was Herr Zech ganz unpassend findet.

Er hat doch die Firma gegründet!

 

 


Das Jubiläumsgedicht

 ...und eines Tages sprach sein Chef:

Herr Bender, Herr Bender – es ist betreff

der Jubiläumsfeier.

Sie spieln doch auf der Leier

der Dichtkunst, können Verse machen.

Bringen Sie die Leut mal zum Lachen

mit ihren kleinen diversen

lustigen, munteren Versen. 

Sie haben ja noch drei Wochen Zeit.

Sind Sie bereit?

 

Aber gern, Herr Direktor, aber gern, aber gern!

 

Und als Herr Bender nach Hause kam

er Bleistift und Papier sich nahm.

Bedeutete seinem Weibe:

Weib, mir vom Leibe bleibe!

Muss ungeheuer denken,

mich in mich selbst versenken.

Ich werde was verfassen,

da werden sie erblassen.

Dass es als Wunder schier erscheint,

wie sich das reimt!

 

Aber gern, Herr Direktor, aber gern, aber gern!

 

Die erste Nacht, Herr Bender rang

mit seinen Musen stundenlang,

entwarf drei kühne Zeilen,

die wollt er noch ausfeilen.

Doch als er schon drei Stunden

gefeilt, warn sie verschwunden.

Den Bleistift noch im Munde

fand ihn zu früher Stunde

sein liebes Weib und rief: Oho!

Wach auf, Herr Bender! Ins Büro!

 

Aber gern, Herr Direktor, aber gern, aber gern!

 

 

Und als zwei Wochen warn herum,

Herrn Bender wars im Kopf so dumm,

sein Herz war sehr verzweifelt,

die Sache war ganz verteufelt:

es füllten sich mitnichten

die Blätter mit Gedichten.

Er musste sich betrinken,

Gedanken ran zu winken. 

Am Morgen lag er unterm Tisch.

Nicht mehr ganz frisch.

 

Aber gern, Herr Direktor, aber gern, aber gern!

 

Und als drei Wochen fast vorbei: 

Dass er blass wie ne Leiche sei

sprach sehr besorgt Herrn Benders Chef.

Herr Bender – übrigens: betreff

der Jubiläumsfeier:

Gespannt ganz ungeheuer

sind alle wir auf morgen.

Sie werden es schon besorgen.

Sie sprühen ja, wie jeder weiß,

nur so vor Geist!

 

Aber gern, Herr Direktor, aber gern, aber gern!

 

Die letzte schwere Nacht begann.

Herr Bender sann und soff und sann.

Ihm war, als säh er Gespenster.

Gespenster? Reimt sich „Fenster“,

Stieg auf die Fensterbanken.

Da draußen flogen Gedanken

nnd herrliche Dichterträume.

Und Reime, Reime, Reime!

Geschafft!, rief Bender, Gott sei Dank!

Ich hab s !– und sprang.

 

Aber gern, Herr Direktor, aber gern, aber gern!