Damals in kalter Nacht

In der Einfahrt neben dem Fotoladen

hatten wir damals Schutz gesucht.

Vor dem Sturm, der uns den Schnee in Schwaden

in die Schnauze schlug. Das biss. Verflucht.

 

Weiß noch, wie du sagtest: Kommt mir vor:

Jemand will uns durch Erfriern bestrafen.

Und du machtest dir schon Sorgen um dein Ohr.

Ach, mit keiner werd ich je so zärtlich schlafen,

wie ich einst mit dir zusammen

fror.


Annelie

An der Elbe bei Neumühlen

sitze ich mit Schuldgefühlen,

Annelie.

 

Möwen schrein und Kräne ragen.

Aber mir ist flau im Magen,

Annelie.

 

Tote Fische zehn vorüber.

Ach, ich bin mir selber über,

Annelie.

 

Funken sprühn von Schweißgeräten.

Nichts kann unsre Liebe löten,

Annelie.

 

Männer hämmern auf den Schiffen.

Hab ich je etwas begriffen?

Annelie.

 

Grau und schmutzig ist die Elbe.

Und mit mir ist es dasselbe,

Annelie.



Besuch aus Celle

Die ich einst geglaubt zu lieben,

heut soll ich sie wiedersehn.

Hol mich ab, hat sie geschrieben,

Bahnstein vier um zwölf Uhr zehn.

 

Rufe nun seit zwanzig Stunden

schlafende Gefühle wach.

Längst vernarbt die alten Wunden.

Was sich regt, regt sich nur schwach.

 

Meinst du, dass, wenn ich dich sehe,

wieder wild das Herz mir pocht?

Glaubst du, es vermag die Nähe,

was die Ferne nicht vermocht?

 

Wird das gut sein, dass die schnelle

Eisenbahn dich zu mir trug?

Ich in Hamburg, du in Celle

war´n wir uns doch nah genug.


Freude in Bargteheide

Das war in Bargteheide.

Das ist schon lange her.

Da machten wir uns beide

eine gegenseitige Freude...

Weißt du das gar nicht mehr?

 

Der Mond von Bargteheide

war grüner als das Gras.

Der Mond war grün vor Neide

auf uns und unsre Freude.

Erinnerst du dich an das?

 

Der Mond hat mit der Zeit sich

verwandelt als ein Greis.

Ach nichts hat mehr erfreut mich,

nichts mehr so - gegenseitig.

Weißt du noch, was ich weiß?



Unbegreiflich

Es war im kalten Februar.

Das Mädchen, das ich küsste, war

so jung wie ich - bald achtzehn Jahr.

Grün waren ihre Augen.

Wir zogen uns die Schuhe aus

und schlichten in ein Treppenhaus,

dort schmiegten wir uns Bein an Hand

und trachteten, uns unverwandt

die Seelen auszusaugen.

 

Sie sprach in wildem, klaren Ton

der Welt und allen Mächten Hohn

Gerechtigkeit! Revolution!

Stark waren ihre Worte.

So gut, so groß, so kriegerisch.

Tot lag die Dummheit unterm Tisch,

zumindest sah sie sterbend aus.

Mir war die Tür zum Treppenhaus

wie eine Himmelspforte.

 

Wir liebten uns Gott weiß wie sehr,

verstanden uns nun immer mehr,

die Treppe bog sich hin und her-

Dann war nur Nacht und Schweigen.

Der Schnee verschneite draußen sich,

wir froren beide jämmerlich.

Und was noch sonst war - nun genug:

Dies schöne Kind war schön und klug

ohne es groß zu zeigen.

 

Vergangen sind der Jahre acht.

Was haben sie aus dir gemacht?

Weißt du nicht mehr? In jener Nacht...

Sie raunzt und maunzt und flötet nur

von wahrer Kunst und Literatur...

Und war so klug, und war so schön.

Ach, dass wir uns nicht mehr verstehn, 

das kann ich nicht begreifen.


Verloren ist das Schlüsseli

Ich liebe dich ein Leben lang.

Mein Herz, das ist ein Panzerschrank.

Darinnen liegt das deine.

 

Du liebst mich auch ein Leben lang?

Dein Herz ist auch ein Panzerschrank?

Darinnen liegt das meine?

 

So läge ja ein Leben lang

dein Panzerschrank in meinem Panzerschrank

in deinem Panzerschrank in meinem

Panzerschrank...

 

Mich macht mein Glück schon geisteskrank.

Dich auch das deine?



Liebeslied

Wäre ich ein Regentropfen

würd ich an Ihr Fenster klopfen.

Draußen würd´s in Strömen gießen

und ich würde Sie begrüßen

schüchtern durch Ihr Fensterglas:

Schönes Wetter heute, was?

 

Wär ein kleiner Vogel ich,

augenblicklich setzt ich mich

auf Ihr linkes Füßchen nieder,

fröhlich zwitschernd immer wieder:

Schöne Füße, zwarte, flinke-

ganz besonders dieser linke!

 

Bin kein Vöglein, bin kein Regen,

schöne Dame; und deswegen

klopf ich an Ihr Fenster nicht.

Hätte Angst, dass es zerbricht.

Auch auf Ihren Fuß mich setzen,

würden Sie wohl nicht sehr schätzen...


Die Bergfee

Vielleicht bist du jetzt eingeschneit

bei Innsbruck auf der Höh.

Es ändert viel sich mit der Zeit.

Und Innsbruck liegt so weit, so weit!

O weh!

 

Vielleicht bist du jetzt schrecklich dünn,

verhungert halb und schwach.

Weil ich, du meine Königin

ja auch nicht mehr derselbe bin.

Und ach!

 

Du liebes, gutes, schweres Kind,

du Nilpferd von den Almen!

Ich weine mir die Augen blind.

Dass ich dich nirgends wiederfand,

will mir das Herz zermalmen.

 

War das ein Augenblick der Lust,

als du mich zärtlich packtest

und mir an deiner Tirolerbrust

das Schlüsselbein zerknacktest.

 

Ich wusste wohl, dass Engel rund

und pummelig und nackt sind.

Doch Engel von zweihundert Pfund,

die wie der Teufel kerngesund

kraftstrotzend und kompakt sind?

 

O schweres Mädchen, Donnermaid,

o Elefant mit Flügeln.

Wie brauch ich deine Zärtlichkeit!

Wär ich doch mit dir eingeschneit

auf deinen Alpenhügeln!

 


Als ich aus dem Fenster sprang

Als ich aus dem Fenster sprang,

hoffte ich sekundenlang,

ob es mir nicht noch gelänge,

dadurch, dass ich langsam spränge,

sozusagen nur zu schweben

und den Sprung zu überleben.

 

Aber gleich lag ich im Blut

Polizei tatüü tatuut,

hat mich fleissig eingesammelt

und in einen Sarg verrammelt.

Mir ist kalt. Denn nun bin tot ich.

Deinetwegen. Idiot ich.


Susanne am Grabe

Ich sollte Blumen begießen

an meiner Tante Grab.

Und plagte mich zu diesem

Zweck mit der Gießkanne ab.

 

Da sah ich dich, Susanne,

stehen am Wasserhahn.

Mit einer grünen Gießkanne.

Und hast mir so leid getan.

 

Du solltest Blumen begießen

an deiner Tante Grab.

Und plagtest dich zu diesem

Zweck mit der Gießkanne ab.

 

Ich sagte: Ach setzen Sie diese

Gießkanne, Susanne, doch ab.

Dass ich Ihre Tante begieße

beziehungsweise ihr Grab.

 

Du aber, geliebte Susanne,

vergaßest den Hahn abzudrehn.

Und deine und meine Gießkanne,

die ließen wir beide stehn.

 

Das wird unsre Tanten verdrießen.

Sie werden uns niemals verzeihn.

Ach, soll sie der Teufel begießen.

Unsre Gießkannen könn´wir ihm leihn.


Im Zug

Wohin ich fahre, bist auch du.

Mein Zug fährt neun Uhr dreissig.

Muss ich auch weiter immzu,

mein Herz hat Ruh, mein Herz hat Ruh:

dass du mich liebst, das weiß ich.

 

Ein Mädchen habe ich erblickt

vom Zug aus auf der Heide.

Dem warf ich Küsse zu entzückt.

Ich bin verrückt, ich bin verrückt,

ich bin verrückt vor Freude.

 

Der Mond, der guckt so säuerlich,

so bleich und krank wie immer.

Oh, meine Freundin, hörst du mich?

Ich liebe dich! Ich liebe dich!

Und das wird immer schlimmer!


Zwischen 6 und 7

Ehe das Büro beginnt,

fahr ich dienstags immer

früh um sechs zu Annekind,

Annekind aufs Zimmer.

 

Ach, ihr Bett ist noch schön warm.

Und sie schnurrt wie´n Kätzchen.

Lieb mich, Hans, in deinem Arm.

Guten Morgen, Schätzchen.

 

So verträumt ist Anne noch,

gähnt, wenn wir uns lieben,

lieben bis der Kaffee kocht

gegen zehn vor sieben.

 

Aufstehn, Liebster, ruft sie, Schluss!

Spielt: Zehn -Jahre-Ehe

bis zum Ehe - Abschieds - Kuss,

wenn ich halbacht gehe.

 

Acht Uhr ruf ich Eva an.

( Anruf kann nicht schaden.)

" Gut so", sagt sie, " lieber Mann:

dienstags morgens baden."

 

Ja ich hab die Wahrheit schlau

vor der Frau verborgen.

( Wer betrügt auch seine Frau

schon so früh am Morgen? )


Wahnsinn

Liebe blonde Barbara,

ich war so klein und hässlich:

Seit ich in deine Augen sah,

bin ich auch noch vergesslich.

 

Vergesse, dass ich hässlich bin

und obendrein zu klein:

Dem Wahnsinn gebe ich mich hin:

Ganz dein, ganz dein, ganz dein...